VNV Nation im Palladium Köln
Letzte Woche Mittwoch, am 16.12.2015, trat VNV Nation im Palladium in Köln auf. Diese Tour, mit dem Namen Compendium – 1995-2015 – 20 Years of Work, handelte um die Werke seit dem ersten Album.
Erlebnistour durch Köln-Mülheim und Kalk
Man mag meinen, die Anreise zum Palladium im rechtsrheinischen Köln-Mülheim gestalte sich nicht so schwierig, wenn man ohnehin im rechtsrheinischen Köln arbeitet. Köln wäre aber nicht Köln, wenn man selbst für ganze 5 Kilometer über 20 Minuten benötigt und dabei Angst haben muss, dass am eigenen Auto ein Reifen platzt, aufgrund der vorzüglichen Straßen in Köln-Mülheim. Sollte man dann gerade einmal nicht über Schlaglöcher fahren, bei denen großflächig das darunterliegende Kopfsteinpflaster zum Vorschein kommt, hat man einfach ganze Buckel aus Kopfsteinpflaster und wird so garantiert die ganze Zeit durchgerüttelt. An Slalomparcours durch im Parkverbot stehende Autos und Fußgänger, die ohne zu gucken, durch parkende Autos hindurch, über die die Straße gehen, war ich dabei schon gewöhnt. Ein Parkplatz war schnell gefunden, bietet die Straße neben dem Palladium doch eine gewaltige Auswahl an Parkplätzen, kostenlos und auch kostenpflichtig. Den Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man sich die Straße auf Google Maps anschaut. Allerdings war ich auch schon um etwa 17:30 Uhr da; und dass diese Parksituation sich bei Veranstaltungen im Palladium, und im gegenüberliegenden E-Werk, dramatisch ändern kann, erlebte ich auch schon.
Eine Stunde vor Einlass standen bereits einige Leute in der einen und einzigen Schlange, aber mit einer Kapazität von 4000 Menschen bietet das Palladium auch einigen Platz. Natürlich durften bei so einer großen Veranstaltung die – gewiss legal erworbenen – Einkaufswagen und andere Behältnisse nicht fehlen, damit auch ja die Pfandspenden sprudeln würden. Nur heute war für die unsichtbaren Pfand-Sammler kein guter Tag, so blieben die Behältnisse einfach leer und um mich rum sah ich auch niemanden etwas trinken. Während man wartete, konnte man das beleuchtete E-Werk auf der gegenüberliegenden Straßenseite betrachten, in dem an diesem Abend eine Stunksitzung stattfand – Karneval ist überall in dieser Stadt –, mit entsprechenden kostümierten Menschen als ziemlicher Gegensatz zu den schwarz gekleideten Personen in der Schlange. Kurz nach 18:30 Uhr fing sich dann auch die Schlange an zu bewegen und meine beiden Dosen blieben sogar die einzigen Pfandspenden in den Behältnissen um mich herum. Bei keiner Veranstaltung zuvor erlebte ich die Einlasskontrolle so penibel; so wurden Fächer und auch das Mini-Fläschchen Desinfektionsgel beanstandet, aber nach den jüngsten Ereignissen, welche an niemandem vorbei gegangen sein sollten, ohne Nachfrage nachvollziehbar.
Zurück in der Arena – wie @ChiyoDragon das Palladium einmal betitelte –, konnte ich in der ehemaligen Maschinenbauhalle einen anfänglichen Platz in etwa der dritten Reihe ergattern, was aber auch vollkommen in Ordnung war, denn noch weiter vorne würden Bilder auf Aufnahmen von einzelnen Personen hinauslaufen. Der Oberrang war gesperrt, was die Kapazität schmälerte. VNV Nation schien also nicht so populär zu sein wie Schandmaul, aber starke Popularität alternativer Bands verheißt auch nichts Gutes. Ich rätselte darüber, ob es nun eigentlich eine Vorband gäbe, denn gelesen hatte ich darüber nichts (das Poster hatte ich zuvor nicht gesehen). Bei einer Recherche gab eine Location Uhrzeiten an und da stand zwar Vorband, aber kein Name. Auf irgendeiner Seite fand ich dann tatsächlich den Namen der Vorband, aber das war auch der einzige Fund. Dabei stellte Köln das vorletzte Konzert der Tour dar.
Vorband Marsheaux
Die Vorband hieß Marsheaux, ein Frauen-Duo aus Griechenland, im Jahr 2003 gegründet und in der Genre Synthie Pop angesiedelt. Nun konnte aber Synthie Pop das und das bedeuten. Zwei Männer fuhren einen Tisch auf die Bühne, auf denen zwei Papier-Wolfsköpfe platziert waren, welche ich doch irgendwie cool – und dieses Wort benutze ich fast niemals – fand, und bauten auf. Um 19:15 Uhr setzten diese beiden Männer dann diese Papier-Wolfsköpfe auf. Plötzlich wurde die Wartemusik leise und es ertönten erste Klänge, dabei wurde das Licht aber nicht gedimmt, was für leichte Verwirrung sorgte. Einen kurzen Moment später standen die beiden Sängerinnen auf der Bühne und Marsheaux legten mit ihren 30 Minuten los, immer noch in vollem Licht.
Der Bass war wohl zu laut, so gingen die Stimmen beider Sängerinnen von Marsheaux im Bass ein wenig unter. Das Licht blieb pro Titel konstant und im Palladium war gewiss sehr viel mehr möglich. Die Band versuchte das Publikum aber auch nicht zu ambitionierten, so klatschte eine der Sängerinnen zwei Mal nur kurz. Auf mich wirkte die Musik ziemlich fröhlich, viel zu fröhlich im Vergleich zu VNV Nation, ohne gar emotional anzustoßen. Das Publikum blieb die ganze Zeit über verhalten und Applaus befand sich auf Brusthöhe. In der ersten Reihe stand eine Frau, welche sich freudig mitgehen ließ, aber vielleicht war es nur die erste Reihe. Oder Alkohol.
Viel umzubauen gab es nun eigentlich nicht, denn fast alles war schon aufgebaut. Die Macbooks mussten noch penibel auf ihren Plattformen arretiert werden, aber offensichtlich gab es Probleme bei einem Synthesizer – oder was auch immer das für ein elektronisches Gerät war – und der Start von VNV Nation verzögerte sich. Um 20:11 Uhr ging dann schließlich das Licht aus.
Countdown zu VNV Nation
Foreword als Intro vom Tape, das Intro von Futureperfect, dazu auf Leinwand das Bandlogo, Schlagwörter über die Compendium-Tour; und auch Köln stand da: Eine kleine Individualisierung mit doch großer Wirkung. Darauf folgend ein Countdown von 10 Sekunden und es traten unter Jubel zwei Livemusiker und Drummer Mark Jackson in der Dunkelheit auf die Bühne. Der Beginn von Space & Time ertönte, Sänger Ronan Harris trat unter noch größerem Jubel auf die Bühne und mit schnell rotierenden, orangenen Scheinwerfern bekam man einen Eindruck, was so möglich war. Das Publikum war direkt voll dabei und man hätte den Eindruck bekommen können, VNV Nation hätten bereits einige Titel gespielt, aber dabei war es gerade einmal der erste. Um mich herum bewege sich nahezu alles und auch ich war davon nicht ausgenommen. Dabei konnte man gut sehen, wie sich Ronan – mit einem breiten Lächeln im Gesicht – mehrfach darüber freute, wie das Publikum direkt abging. Beim zweiten Titel Tomorrow Never Comes heizte Ronan dann auch die Lautstärke des Publikum an, indem er immer wieder schrie, er könne das Publikum nicht hören, und das zeigte Wirkung.
Der nächste Titel wurde von Ronan angekündigt mit: »Von jedem Album etwas!« Die Textsicherheit erlitt einen spürbaren Einbruch, kannte das Publikum Darkangel nicht mehr? Diesen alten Titel gab es sogar als Single! Beim folgenden Titel Nemesis vom populärsten Album Judgement – von 1999 nach 2007 – sah das aber wieder ganz anders aus und vor allem den Refrain-Vers »Judgement day’s not coming« ließ Ronan das Publikum laut und oft singen. Gar nicht fiel auf, wie gut doch bisher der Ton war, bis die düstere Ballade Carbon folgte und das Publikum schnell zur Ruhe kam. Ruhig stand Ronan Harris am Mikrofonständer, wo er sich doch normalerweise immer bewegt, und legte mit Mimik und Gestik selber noch einmal so viele Emotionen in diesen Titel, der leider durch starkes Dröhnen im tiefen Bass völlig verunstaltet wurde, womit dieser Titel in doppelter Hinsicht traurig war…
Mit Epicentre folgte nach der Ruhe ein Titel, welcher in keiner Setlist fehlt und mit dem Bass sogar manche Leute zum Springen brachte. Das Dröhnen war verschwunden, ob es nur am tiefen Bass lag? Das ruhige Carbon schien der Stimmung von davor keinen Abbruch getan zu haben. Auch Legion wurde unter Jubel begonnen, aber Ronan fragte trotzdem: »Kennt ihr das nicht?!« Obwohl ich Legion auch persönlich sehr mag, hatte ich den Eindruck, dass der Titel hier nun eher nach Feier klang, während der Titel auf Album und Live-Album viel tiefgründiger klingt.
Again and again: I want control
Verwirrung herrschte dann wieder beim Titel danach, schien Streamline doch so gut wie nie live gespielt worden zu sein. Um die Abkehr des Tanzes zu kompensieren, legte Ronan während des Titels kurzerhand einen belustigenden »Sexy Dance« hin. Dennoch wirkte nun alles ruhiger, auch beim nachfolgenden Titel The Great Divide. Anschließend war diese Ruhe aber dann vorbei, denn es folgte Control – ein Titel, der es live ziemlich krachen lässt, noch mehr als andere Titel – und auf Studioalbum vergleichsweise langweilig wirkt. Ronan ließ dabei das Publikum immer wieder das »Control« vom Vers »I want control« singen – oder eher wurde es lautstark geschrien. Kaum zu glauben, dass man das Publikum noch mehr zum Kochen bringen konnte, aber mit diesem Titel live auf jeden Fall!
Der elfte Titel war dann auch wieder verwunderlich: Verum Æternus mal in einer Setlist? Fast schon Abkühlung. Es folgten Sentinel, Gratitude und Testament, wo man beim letzten Titel wieder merkte, dass es vom populärsten Album war, so hörte man vom Publikum immer wieder deutlich den Vers: »It’s just you and me now.«
Illusion folgte, der Titel, über den wohl viele VNV Nation kennenlernten. So war auch mit und ohne Ronans Gesang das Publikum deutlich zu hören und das nicht nur während des Refrains. Man konnte die tiefen Emotionen im Publikum deutlich spüren und am Ende des Titels wiederholte Ronan zwei Mal: »That was beautiful…« Zu den ersten Klängen von Standing fragte Ronan: »Das könnt ihr bestimmt?!«, und das Publikum antwortete mit einem lauten und langen: »Jaaa!« Es ist wundervoll, wenn auch der eigene Lieblingstitel der Band in der Setlist auftaucht.
Bei Homeward zeigte Ronan, dass er es wohl auch mit Opernsängern aufnehmen könnte: Ohne einen Luftzug zog er ein einzelnes »break« ewig in die Länge! Ein wenig überrascht war er darüber aber dann auch. Nachdem der letzte Titel eher zum Mitgehen-Lassen war, ging es dann mit Everything doch wieder etwas mehr ab. Während The Farthest Star bekam Ronan dann ein Bier aus dem Publikum gereicht und nach dem Titel verschwanden VNV Nation erst einmal von der Bühne, die Stimmung blieb aber gewiss erhalten.
VNV Nation meldeten sich nach kurzer Zeit zurück und Ronans erste Mission war es, der Person, die ihr ein Bier gab, ein neues wiederzugeben. Wie entgegenkommend; so kannte ich das bisher immer eher so, dass ein Frontmann das Bier einfach behielt. Als erster Zugabe-Block folgte ein Titel vom allerersten Album Advance and Follow (1995): Frika. Bei diesem Titel wirkte irgendwie alles anders: Zu den schnellen Bässen schienen immer nur wieder kurz weiße Scheinwerfer kerzengerade nach unten und das Publikum bewegte sich fast schon unrhythmisch, wo es mir aber nicht anders ging. Chrome und Procession ließen es dann nochmal richtig knallen. Bei Chrome schrie das Publikum deutlich: »[…] and you’re not listening«, und plötzlich war richtig viel Platz zum Tanzen. Ob’s daran lag, dass die ersten Leute flüchteten oder einfach das Tanzen intensiver wurde? Egal, einfach selber den Platz zum Tanzen nutzen! Dann verschwanden VNV Nation wieder von der Bühne.
Die Falschparker aus Gelsenkirchen und Besuch
Und VNV Nation kamen gewiss wieder, denn es hätten da ohnehin noch Titel gefehlt, ohne welche das Publikum VNV Nation nicht hätte gehen lassen. Ronan trat mit einem Zettel ans Mikrofon und machte da einen Witz, dass da wohl jemand mit einem Gelsenkirchener Kennzeichen falsch parken würde. Das war aber nur eine Anspielung auf das Blackfield Festival in Gelsenkirchen, wo es immer wieder vorkam, dass jemand mit Zettel ans Mikrofon trat und Falschparker verkündete. Auch an VNV Nation ging es sicherlich nicht vorbei, dass in diesem Jahr das Blackfield Festival leider das letzte Mal stattfand und die Band im Amphitheater eine Stimmung aufbauen konnte, bei der andere Locations wohl nicht mithalten können. Ronan verkündete, im Februar würde VNV Nation ein exklusives Konzert in Kleve spielen und es würde auch eine weitere Resonance-Tour mit dem Filmorchester Babelsberg folgen.
Es folgte Nova und im Verlauf des Titels bat Ronan um Smartphones und Feuerzeuge. So konnte er wieder in einen beachtlichen Sternenhimmel blicken. Das war sicher kein Vergleich zum Sternenhimmel beim Amphi Festival, aber auch im Palladium hatte der Sternenhimmel Wirkung.
Und dann kam da plötzlich Stephan Groth, Frontmann von Apoptygma Berzerk, auf die Bühne und er performte zusammen mit VNV Nation den Titel Katy’s Song (ein Remix). Viele, die VNV Nation hören, hören sicher auch Apoptygma Berzerk, ich kam bisher allerdings nicht dazu. Etwas Besonderes war das aber auf jeden Fall.
Nach dem Titel verabschiedete sich Stephan Groth unter Applaus wieder und es folgte ein Titel, der in keiner Setlist fehlen darf: Beloved. Man merkte nun auch, dass immer mehr Leute schon die Halle verließen und auch ich schloss mich dem dann an, um endlich mal ein T-Shirt von VNV Nation kaufen zu können, da sich das bisher nicht ergeben hatte. Beim Merchandise-Stand fanden sich auch die beiden Wolfsköpfe von der Vorband Marsheaux wieder, mit Autogrammen und Knutschflecken, aber ich eilte zum Eingang der Halle zurück, um zumindest noch was mitzubekommen. Bewegung herrschte beim Publikum bis nahezu in die letzte Reihe, aber vorne war doch mehr los, wie immer eigentlich. Es folgten noch Resolution und natürlich Perpetual.
Und während das Publikum ein letztes Mal dem letzten Titel verfiel, verließ ich die Location. Nun war tatsächlich kein Parkplatz mehr frei und ich durfte mich beim Ausparken darüber erfreuen, da das Auto vor meinem Auto schief einparkte und das dahinter nah an der Stoßstange stand. Die ganze Straße am Palladium war voller Taxen, also wählte ich die Einfahrt gegenüber und wendete direkt auf der Straße, sonst hätte das Rauskommen dort wohl ewig gedauert. Schnell zur Mülheimer Brücke, schnell am Zoo vorbei, auf den 2. Ring und tschüss, Köln. Die Leute nach mir haben sich sicherlich an einem temporären Verkehrskollaps in Köln-Mülheim erfreut…
Fazit
Die über drei Stunden VNV Nation waren wieder ein emotionales Erlebnis! Bis auf kurzes Dröhnen hin und wieder (und Carbon) war der Sound gut und die Lichtshow war genial. Im verlinkten Video, das sogar von einem Furry stammt, kann man davon vielleicht einen Eindruck bekommen. Die Setlist bot auch das, was man sich doch insgeheim immer von einer Setlist wünscht: Titel, die man kennt und nicht das Aufschwatzen von jungen Titeln, welche sich auf Dauer wohl auch nicht etablieren – um es pessimistisch zu betrachten. Dabei schien die Setlist auf den Kozerten der Tour auch immer wieder unterschiedlich zu sein, was man auch gut auf setlist.fm sehen kann. Vermutlich hat niemand ein Video vom Titel Frika gemacht, wird man diesen Titel doch wohl nicht so schnell mehr in einer Setlist wiedersehen. Mich verwunderte, dass VNV Nation problemlos bis etwa 23:15 Uhr spielen konnte, wo Köln normalerweise sehr streng mit diesen Zeiten ist. Vielleicht lag es aber auch an der Tatsache, dass das Palladium im Gewerbegebiet Medienzentrum Köln-Ost liegt und es dort wohl einfach keine Wohnungen gibt.
Am Anfang des Auftritts fragte jemand aus der ersten Reihe, ob es Ronan besser gehen würde. Er litt wohl an einem Infekt. Das sorgte nun auch dafür, dass die Show in Köln die letzte in diesem Jahr war, da er nun wohl doch stärker erkrankte und das Konzert in Bremen auf Februar 2015 verschoben wurde. In dem Sinne: Gute Besserung, Ronan, du hast trotzdem eine super Show geliefert und man hat dir davon nichts angemerkt!
Das angekündigte, exklusive Konzert in Kleve, Ende Februar, beinhaltet gerade mal Titel der Alben Automatic (2011) und Empires (1999). Der Vorverkauf startete vergangen Freitag und als ich gegen 10 Uhr ein Ticket der gerade einmal 400 Tickets kaufte, stellte das kein Problem dar. Wie zu erwarten war am Ende des Tages das Konzert aber ausverkauft: Mit Exklusivität wurde nicht gelogen… Im Mai wird es außerdem eine neue Resonance-Tour geben, wohl auch mit neuen Titeln. Die Termine für Berlin und Wuppertal stehen bereits fest und in Wuppertal, wo das Konzert erst am Montag angekündigt wurde, sind bereits jetzt schon etwa die Hälfte der Plätze weg…
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